Freitagsansprache vom 05.12.14 Die Warnung vor dem Überstürzen im Takfîr

 Die Warnung vor dem Überstürzen im Takfîr

Dank gebührt Allâh, dem Erhabenen. Wir preisen Ihn, bitten Ihn um Unterstützung, Rechtleitung und Vergebung. Möge Allâh uns vor dem Begehen von Sünden beschützen. Derjenige, der von Gott rechtgeleitet wurde, wird nicht in die Irre gehen und derjenige, der von Gott in die Irre geleitet wurde, wird keine Rechtleitung finden. Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allâh gibt. Er ist der einzige Gott und Derjenige, Der nichts und niemandem ähnelt. Derjenige, Der keine Gestalt, keine Form und keine Glieder hat. Und ich bezeuge, dass unser geehrter, geliebter und großartiger Prophet Muhammad Diener und Gesandter Gottes ist.  AsSalâtu wa s-Salâmu für den Propheten Muhammad und alle anderen Propheten, die Allâh sandte. Sodann, Diener Gottes, ich ermahne euch und mich zur Rechtschaffenheit.

Allâh, der Erhabene, hat uns viele Gaben beschert. Es sind so viele, dass wir sie nicht aufzählen können. Gewiss, wir und das, was uns an Gaben beschert wird, sind Gottes Geschöpfe. Wir sind verpflichtet, Allâh für diese Gaben zu danken, indem wir keine Sünden mit diesen begehen. Verehrter Bruder, zu den Gaben, die Allâh dir beschert hat, gehört dein Vermögen. Ebenso gehören zu diesen dein Körper und deine Glieder, wie deine Augen und deine Zunge. So verwende diese Gaben nicht für Sünden. Sei rechtschaffen und sündige nicht. Wenn du Allâh nicht gehorchst, tust du dir selbst Unrecht an. Gewiss, Allâh liebt nicht diejenigen, die Unrecht ausführen.

Verehrte Brüder, lasst uns gemeinsam über eine großartige Gabe sprechen. Diese ist die Zunge, mit der Allâh uns auszeichnete. Die Gabe der Zunge wird im Qur’ân in der Sûrah al-Balad, Âyât 8-9 erwähnt:

﴿أَلَمْ نَجْعَلْ لَهُ عَيْنَيْنِ(8) وَلِسَانًا وَشَفَتَيْنِ (9)

Die Bedeutung lautet: Allâh bescherte dem Menschen zwei Augen, eine Zunge und zwei Lippen.

Von dieser großartigen Gabe kann sowohl viel Nutzen als auch große Gefahr ausgehen. So wird über die Zunge gesagt, dass sie zwar klein ist, durch sie jedoch viel Schaden entstehen kann. So hat der Gesandte Gottes vor der Gefahr der Zunge gewarnt, so wie es aus der Überlieferung von at-Tirmidhiyy in seinem Werk as-Sunan hervorgeht. In dieser heißt es, dass der Gefährte Mu^âdh Ibn Djabal den Gesandten Gottes fragte: „O Gesandter Gottes, werden wir aufgrund dessen, was wir aussprechen, zur Rechenschaft gezogen werden?“ Der Gesandte Gottes antwortete daraufhin:

ثَكَلَتْكَ أُمُّكَ يَا مُعاذُ وَهَلْ يَكُبُّ الناسَ في النارِ علَى وُجوهِهِم أَوْ علَى مَنَاخِرِهِمْ إِلّا حَصَائِدُ أَلْسِنَتِهِمْ اهـ

Die Bedeutung lautet: Mu^âdh, gib Acht, die Bestrafung vieler Menschen in der Hölle ist auf das Übel dessen, was sie gesprochen haben, zurückzuführen.

Der Gesandte Gottes hat dazu aufgefordert, die Zunge zu hüten und bestätigte dies mit der Aussage:

مَنْ كَانَ يُؤْمِنُ بِاللهِ واليَوْمِ الآخِرِ فَلْيَقُلْ خَيْرًا أَوْ لِيَصْمُتْ اهـ

Die Bedeutung lautet: Wer an Allâh und an den Tag des Jüngsten Gerichts glaubt, der sollte Gutes sprechen oder schweigen.

Hieraus geht hervor, dass man zunächst zu überlegen hat, bevor man spricht. So hat man zu schauen, ob dieses Gutes oder Schlechtes beinhaltet. Stellt sich heraus, dass dieses Sprechen Gutes beinhaltet, so spreche man. Andernfalls ist zu schweigen. Wer somit nach dieser Aussage handelt, der schützt seine Religion. Gewiss, begibt sich der Mensch in Gefahr, wenn er spricht ohne über die Konsequenzen seiner Worte nachzudenken. So kann es sein, dass man durch das Gesprochene in Sünden fällt oder gar aus dem Islam austritt. Es kann auch dazu führen, dass er seine Zeit mit Angelegenheiten verbringt, die keinen Nutzen haben. Die meisten Sünden, die begangen werden, geschehen mit der Zunge, da dem Menschen das Sprechen am einfachsten fällt. Als Beispiel sei jener Mensch erwähnt, der über eine religiöse Angelegenheit gefragt wird und diese voreilig und ohne Wissen beantwortet. Seiner Meinung nach entspricht seine Antwort der islamischen Gesetzgebung, obwohl er in dieser Angelegenheit nicht wissend ist. Er gibt in diesem Fall eine Antwort, ohne sich dabei auf das zu stützen, was er von den Gelehrten gehört hat.

Diese Vorgehensweise ist gewiss ruinierend. So antworten einige Menschen in den Angelegenheiten des Unglaubens voreilig und ohne zu überlegen. Sie sagen, dass jener durch seine Aussage aus dem Islam ausgetreten wäre, obwohl sie keine Kenntnis über diese Angelegenheiten haben. Sie hätten sich zunächst das Wissen über die Regeln bezüglich dieser Angelegenheit aneignen müssen, damit sie ihre Antwort gemäß dem geben, was die Gelehrten festgelegt haben. Dazu gehört, dass man zunächst bedenkt, ob das gesprochene Wort mehrdeutig oder eindeutig ist. Die mehrdeutige Aussage ist jene, die in der Sprache mehr als eine Bedeutung hat. Die Eindeutige hingegen hat nur eine Bedeutung. Spricht jemand ein Wort aus, welches mehrdeutig ist, wird er nicht für ungläubig erklärt, bis offenkundig wird, dass er die Bedeutung beabsichtigte, die Unglauben ist. Ein Beispiel hierfür gab Muhammad Ibnu l-Hasan asch-Schaybâniyy, ein Schüler von Imâm Abû Hanîfah. Er sagte:

„Wenn zu einem gesagt wird: ‚Bete‘ und dieser daraufhin sagt: ‚Ich bete nicht‘, tritt er aus dem Islam aus, wenn er damit die Verachtung des Gebetes beabsichtigt. Meint er jedoch, er betet nicht, da er bereits gebetet hat oder seiner Aufforderung aufgrund seiner Faulheit nicht nachkommt, begeht er keinen Unglauben.“

Spricht jemand jedoch ein Wort aus, welches eindeutig Unglauben ist, begeht er Unglauben. Es sei denn, er versteht die eigentliche Bedeutung des Wortes nicht und glaubt, dieses hätte eine andere Bedeutung, welche wiederum kein Unglauben ist. Hört man nun von jemandem eine Aussage, die eindeutig Unglauben ist, handelt man folgendermaßen:

Wenn man davon überzeugt ist, dass er unter diesem Wort eine Bedeutung verstand, die kein Unglauben ist, erklärt man ihn nicht für ungläubig! Dieser glaubte nämlich, dass das gesprochene Wort gemäß der Sprache eine andere Bedeutung hätte, nämlich die kein Unglauben ist. Man sagt ihm, dass das von ihm Gesprochene in diesem Zusammenhang jedoch nur eine Bedeutung hat, welche Unglauben ist, und wenn er diese Bedeutung darunter verstand, so hat er Unglauben begangen.

Glaubte er jedoch, dass dieses Wort eine andere Bedeutung in der Sprache hätte – die kein Unglauben ist – begeht er keinen Unglauben. Man lehrt ihm jedoch, dieses Wort von nun an nicht mehr zu sagen, da es gemäß der Sprache eine Bedeutung hat, die der Religion widerspricht. Ebenso sei gewarnt davor, vorschnell jemanden für ungläubig zu erklären, wenn er in den Angelegenheiten des Verbotenen bzw. Erlaubten etwas spricht, was der islamischen Gesetzgebung widerspricht. Stellt sich nämlich heraus, dass er unwissend ist und von dem ausging, was in seiner Region verbreitet ist, erklärt man ihn nicht für ungläubig. In diesem Fall wird er belehrt. Man lehrt ihm, was über diese Angelegenheit aus der islamischen Gesetzgebung hervorgeht und dass über diese Übereinstimmung herrscht. Zudem bringt man ihm bei, dass derjenige, der in Kenntnis über die Gesetzgebung ist,  d. h. wissend darüber ist,  dass die Muslime seit der Zeit der Gefährten bis zu unserer Zeit auf diesem Glauben sind, und dieser trotzdem widerspricht, die Religion verleugnet. Dieser tritt in diesem Fall aus dem Islam aus und muss das Glaubensbekenntnis aussprechen, um in den Islam einzutreten. Ihm wird auch gesagt, dass er zunächst zu lernen hat, bevor er spricht. Das Sprechen über die Religion ohne Wissen gehört zu den großen Sünden.

So ist es erforderlich, nicht voreilig und nicht ohne Beweis, jemanden für ungläubig zu erklären. So begibt man sich auf die sichere Seite. So sagten die Gelehrten sinngemäß:

„Einen Nichtmuslim für einen Muslim oder einen Muslim für einen Nichtmuslim zu erklären, ist etwas sehr Gewichtiges.“  So darf man nicht voreilig sein, wenn es darum geht, einen Muslim für einen Nichtmuslim oder einen Nichtmuslim für einen Muslim zu erklären. Hierzu sagte der Gesandte Gottes :

مَنْ قالَ لِأَخِيهِ المُسْلِمِ يَا كَافِرُفقَدْ بَاءَ بهَا أَحَدُهُمَا فَإِنْ كانَ كمَا قالَ وَإِلّا رَجَعَتْ علَيْهِ اهـ

Die Bedeutung lautet: Wenn jemand zu seinem muslimischen Bruder „Du Nichtmuslim“ sagt, so trifft diese Aussage auf einen der beiden zu: Entweder ist die Angelegenheit so, wie der Sprecher sagte oder die Aussage kehrt zu ihm zurück.

Es kann sein, dass der Teufel einem einflüstert, einem Menschen zu antworten, er habe Unglauben gesprochen und solle das Glaubensbekenntnis aussprechen. Somit urteilt dieser Mensch jedoch ohne Wissen und fällt dadurch entweder selber in den Unglauben oder begeht eine Sünde. Bruder im Islam, so sei dir stets bewusst, dass alles, was du aussprichst, zu deinen Gunsten oder deiner Missgunst aufgeschrieben wird. Allâh, der Erhabene, sagt im Qur’ân in der Sûrah Qâf, Âyah 18:

﴿مَا يَلْفِظُ مِنْ قوْلٍ إِلّا لَدَيْهِ رَقِيبٌ عَتِيدٌ

Die Bedeutung lautet: Jeder Wortlaut, der gesprochen wird, wird von den Engeln Raqîb und ^Atîd aufgeschrieben.

Wir bitten Allâh darum, uns davor zu bewahren, etwas Verbotenes zu sprechen. Wir bitten Ihn ebenso darum, uns eine Gott lobpreisende Zunge und ein ehrfürchtiges Herz zu bescheren. Gewiss, Allâh ist der Allmächtige.

Dies dazu und ich bitte Allâh um Vergebung für euch und mich.

Die zweite Ansprache

Lob gebührt Allâh, dem über die Eigenschaften der Geschöpfe Erhabenen. Es gibt keinen Gott außer Allâh. Ihn einzig und allein beten wir aufrichtig an und wir gesellen Ihm keinen Teilhaber bei.

Lob gebührt Allâh, dem Schöpfer des Universums. AsSalâtu was-Salâmu für unseren geehrten Propheten Muhammad und alle anderen Gesandten und Propheten. Möge die Liebe Gottes den Ehefrauen des Propheten sowie den muslimischen Verwandten des Propheten, den rechtschaffenen Kalifen Abû Bakr, ^Umar, ^Uthmân und ^Aliyy, den rechtgeleiteten Gelehrten Abû Hanîfah, Mâlik, asch-Schâfi^iyy und Ahmad und den Heiligen (Awliyâ´) zuteilwerden.

Sodann Diener Gottes, ich fordere euch und mich zur Rechtschaffenheit auf und zur Furcht vor Allâh, dem Erhabenen und Allmächtigen.

Und wisset, dass Allâh euch zu etwas Wichtigem aufforderte. Er hat euch dazu aufgefordert, AsSalâtu was-Salâmu für den Propheten auszusprechen.

Allâh, der Erhabene, sagt in der Sûrah al-´Ahzâb, Âyah 56:

﴿إِنَّ اللَّهَ وَمَلَائِكَتَهُ يُصَلُّونَ عَلَى النَّبِيِّ يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُواصَلُّوا عَلَيْهِ وَسَلِّمُوا تَسلِيمًا﴾

O Allâh, gebe dem Propheten Muhammad und seinen Âl einen höheren Rang, so wie Du dem Propheten Ibrâhîm und seinen Âl einen hohen Rang gegeben hast. Und gebe dem Propheten Muhammad und seinen Âl Segen, so wie Du dem Propheten Ibrâhîm und seinen Âl Segen gegeben hast. Du bist Derjenige, Der mit vollkommener Macht und Gnade beschrieben wird und Derjenige, Der das Recht hat, gepriesen zu werden. Allâh, der Erhabene, sagt im heiligen Qur´ân:

﴿يَا أَيُّهَا النَّاسُ اتَّقُوا رَبَّكُمْ إِنَّ زَلْزَلَةَ السَّاعَةِ شَىْءٌعَظِيمٌ * يَوْمَ تَرَوْنَهَا تَذْهَلُ كُلُّ مُرْضِعَةٍ عَمَّا أَرْضَعَتْوَتَضَعُ كُلُّ ذَاتِ حَمْلٍ حَمْلَهَا وَتَرَى النَّاسَ سُكَارَى وَمَا هُمْبِسُكَارَى وَلَكِنَّ عَذَابَ اللَّهِ شَدِيدٌ﴾

Die Bedeutung lautet: O ihr Menschen, seid von den Rechtschaffenen. Gewiss, am Tag des Jüngsten Gerichts werden gewaltige Ereignisse geschehen. An jenem Tag würde jede stillende Mutter ihren Säugling vergessen, jede Schwangere würde verlieren, was sie trägt und die Menschen werden für betrunken gehalten, obwohl sie es nicht sind, doch die Bestrafung Gottes ist sehr hart.

O Allâh, wir bitten Dich, unser Bittgebet zu erfüllen, uns unsere Sünden und Fehler zu vergeben, uns zu den Rechtgeleiteten gehören zu lassen und nicht zu denjenigen, die in die Irre gegangen sind. O Allâh, wir bitten Dich, unsere Sorgen und unseren Kummer von uns zu nehmen und uns vor dem zu schützen, was wir befürchten.

Diener Gottes, Allâh fordert zur Gerechtigkeit, zu gutem Verhalten und zur Aufrechterhaltung der verwandtschaftlichen Beziehungen auf und Er verbietet die Schandtaten, das Schlechte und die Ungerechtigkeit. Dies ist eine Ermahnung, auf dass ihr nachdenken möget. Verrichtet die Pflichten und unterlasst die Sünden, bittet Gott um Vergebung und vertraut auf Gott, seid rechtschaffen und Er wird eure Sorgen und Bedrängnis von euch nehmen. Aqimi sSalâh! (Sag die Iqâmah auf)

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